Eine Zeit der Stille
Wir alle brauchen Momente der Stille. In einer Zeit, in der wir auf Leistung getrimmt sind und unser Leben komplett durchgetaktet ist, wird dieses Bedürfnis nach Innehalten und Stille vielen Menschen immer bewusster.
Angesichts der Burnout-Raten in unserer Gesellschaft kann vielleicht sogar von einer Übertaktung gesprochen werden. Jedoch ist es nicht nur das Takten, damit gemeint die zeitlichen Einschränkungen, die zu Problemen und Burnout führen, vielmehr spielen auch Ablenkungen eine wesentliche Rolle, welche wir völlig frei über unsere elektronischen Geräte ausleben. Entscheidend ist in jedem Fall, dass uns von aussen vorgegeben wird, wie wir die Zeit zu verbringen haben. Verbringen „müssen“ wir die Zeit aktiv, produktiv, in Bewegung. Stille ist Stillstand, Rückschritt sogar.
Mit der Stille ist es wie mit dem Sand in der Hand: Je mehr wir versuchen sie festzuhalten, desto mehr scheint sie uns zu entgleiten. Letztlich können wir die Stille weder erzeugen noch festhalten. Sie ist ein innerer Zustand, der entsteht, wenn wir es zulassen.
Eine Möglichkeit Stille zu kultivieren besteht darin, sich für einige Zeit in ein Retreat zurückzuziehen (siehe Beitrag „Sich gemeinsam eine Auszeit auf der Matte gönnen“). Persönlich durfte ich den letzten Jahreswechsel in Sachseln begehen an einem Sesshin des Zen-Dojo Zürich um zusammen mit der Zürcher Sangha bewusst und in Stille das Jahr zu beginnen. In diesen Tagen sagte Monika Leibundgut, Leiterin des Zen-Dojo, sinngemäss:
„Stille stellt sich von selbst ein, wenn ihr ganz auf eure Handlung konzentriert seid, ganz im Hier und Jetzt.“
Momente der Konzentration, der Stille in meinen Alltag zu integrieren ist für mich „Living-Zen“. Aus der inneren Stille immer wieder Kraft zu schöpfen für die täglichen Herausforderungen, das ist für mich die hohe Schule des gelebten Zens.
Stille kann man auch durch eine regelmässige „formelle Praxis“ auf der Yogamatte oder dem Sitzkissen kultivieren. Mit der Asana-Praxis haben wir eine wunderbare Möglichkeit das ganz im Hier und Jetzt und „ganz im Körper“ zu üben. Das Üben, getragen durch dieses Bewusstsein, wird so immer feiner und verinnerlichend. Die yogischen Körperübungen werden so zur Meditation in Bewegung. Persönlich empfinde ich es als sehr bereichernd die Asana-Praxis mit einer Sitzmeditation abzuschliessen.
Das verinnerlichende Üben der Yogastellungen beruhigt das Mentale und der Körper wird bewegt, so dass die Energie wieder freier fliesst. Das sind ideale Voraussetzungen für eine stille Meditation und Argumente für meine zweistündigen Lektionen. So habe ich einen idealen Zeitrahmen für das verinnerlichende Üben und die abschliessende Meditation.
Meiner Erfahrung nach fügt die Meditation dem Yoga, welcher bei uns oft rein auf körperliche Fitness ausgerichtet ist, eine zusätzliche Dimension hinzu und gibt so der Yoga-Praxis die Tiefe, welche in der Tradition ursprünglich immer praktiziert wurde.
Ich wünsche uns allen die Geduld und die Freude, welche aus der Praxis entsteht um weiterhin regelmässig zu üben, sei es bei uns in der Yogagemeinschaft oder in einem Retreat.
Euer Manuel